Positive Philosophie nennt Friedrich Wilhelm Joseph Schelling Philosophieren, das mythische Einsicht als Erkenntnisquelle zulässt. Offenbarung wird als Weltprozess verstanden, der es vermag die Spaltung zwischen Subjekt und Objekt aufzuheben. Das konkrete Ding erscheint in diesem Zusammenhang als die Verneinung des umfassend Existierenden.
Mystik ist nach Gershom Scholem nichts anderes als die Summe konkreter geschichtlicher Phänomene, die man untersuchen kann, um zu sehen, was diese verbindet. Scholem bemerkt, dass Mystik erst in einem bestimmten Stadium der Religionsgeschichte auftritt, das sich durch Institutionen auszeichnet. Die unmittelbare Erfahrung der Welt liegt bereits in der Vergangenheit. Die Phase der Mystik folgt auf die Welt des Mythos, in der die Welt selbst göttlich ist, es noch nicht der Ekstase bedarf, um verbunden zu sein.
Dem folgend wird klar worin der Unterschied zwischen Mythos und Mystik liegt. Der Mythos ist die Möglichkeit unmittelbarer Welterfahrung, die Mystik kann als die konstruierte Verwandte des Mythos verstanden werden. In der Mystik bedarf es bestimmter Formen der Askese oder Ekstase, die erlauben sollen ursprüngliche Formen der Verbundenheit zurückzuholen.
Die Mystik verlangt Rituale und die Entscheidung zur bedingungslosen Wahrheitssuche. Michel de Certeau beschreibt diesen Umstand anhand des Verbes wollen. Das Wollen bildet die Umrisse der mystischen Sprache. Es bezeichnet einen Punkt des Aufbruchs, den Moment des Versuchs, der das Wollen auf alles und nichts richtet, weg vom Objekt, weg von der Erhaltung der Singularität der eigenen Persönlichkeit. Das Wollen steht am Anfang, es ist die Vorbedingung des Könnens, das durch Übung und Versuch in einem unbestimmt langen Prozess dem Wollen, der Entscheidung folgen mag, die nur im Moment ihre Gültigkeit hat. In diesem Sinne gibt nach Michel de Certeau der mystische Diskurs den Suchenden das Versprechen (als andere) wiedergeboren zu werden. Was du willst, kannst du.
Das Wollen unterliegt weder dem Irrtum noch ist es wahr, es ist und wird gesetzt, der mystische Diskurs, der sich um dieses Zentrum spinnt, versucht es in Metaphern auszusprechen.
„Es gibt dem sprechenden Subjekt Raum. Es handelt sich weniger um ein »Sagen wollen« als vielmehr um ein Wollen, aus dem ein Sagen erwächst oder erwachsen kann und das bereits die wesentlichen Elemente jedes Aussageaktes besitzt.“ (De Certeau, 2010, S. 286)
Das Wollen ist der gemeinsame Boden, der Kommunikation möglich macht, er lässt ein Subjekt hervortreten, das sich durch sein Exil abseits der Welt gründet, so de Certeau.
Die Sprache wird zu einem Instrument, das aussagt jedoch nicht die Wahrheit, die entgleitet. Kann es eine Sprache der Wahrheit geben?
„Wenn anders es aber eine Sprache der Wahrheit gibt, in welcher die letzten Geheimnisse, um die alles Denken sich müht, spannungslos und selbst schweigend aufbewahrt sind, so ist diese Sprache der Wahrheit – die wahre Sprache“ (Benjamin, 2007, S. 118)
Holzschnittartig gesagt, übernimmt mit Benjamin die Übersetzer*in die Aufgabe die reine Sprache reifen zu lassen. Das vermeintliche Original entfaltet sich nicht als Mitteilung, sondern in all den möglichen Arten des Meinens.
Schlussendlich nimmt sich Roland Barthes der Mythen an und behauptet: „Der Mythos ist eine Rede.“ (Barthes, 2013, S.251)
Ausgehend von Schelling bis hin zu Barthes, auf Umwegen reisend, um Überlegungen zum Phänomen der unmittelbaren Erkenntnis, der Offenbarung, des mystischen Sprechens anzustellen, machen wir uns auf. Mythen sind speziell, ihre Denker*innen konkret und so wollen wir auch nachdenken.
Barthes, Roland: Mythen des Alltags. Berlin: Suhrkamp, 2013
Benjamin, Walter: Aura und Reflexion. Schriften zur Kunsttheorie und Ästhetik. Frankfurt: Suhrkamp, 2007
De Certeau, Michel: Mystische Fabel. Berlin: Suhrkamp, 2010