Henri Lefebvres berühmte Forderung nach dem Recht auf Stadt, zieht seit einigen Jahren weite Kreise. Von widerständischen Bewegungen zu Kunst und Architektur, doch kaum wird sein Werk in der Philosophie beachtet, die allerdings die Disziplin seines Schreibens und Denkens war. Warum ist das so? An dieser Stelle sei nur eine Vermutung angestellt, die lautet, dass es die Schmutzigkeit seiner Thesen ist, die nur langsam im akademischen Diskurs anzukommen vermag. Wir wollen nun an dieser Stelle jedoch argumentieren, dass eine gewisse Unreinheit, die Lefebvres Denken absichtlich zugrunde liegt – soll doch vom Alltag, von der Produktion im und durch Lebendiges gesprochen werden – eine Qualität seiner Texte ist. Im Einfordern einer philosophischen Praxis, im Einfordern der Erschaffung von Raum im Konkreten, ist Lefebvre ein Philosoph, der nie Halt macht bei gefundenen Erkenntnissen, sie ins Geschehen, ins Urbane wirft, zur Überprüfung. Geprägt ist Lefebvres Denken vom Marxismus, der Struktur gibt, der ein Fundament ist von dem Lefebvre sich permanent verabschiedet, um es anders wiederzufinden. Man möge ihn einen phänomenologischen Marxisten nennen. Lefebvre konstruiert damit temporäre Orte des Denkens, zeitlich begrenzte Exile im Sinne Saids, um konkret nach Wahrheit zu suchen. Recht auf Stadt meint damit auch keine juridische Rechtsprechung, sondern die Aneignung des Städtischen, das Einnehmen von Orten, um zu leben. Vor diesem Hintergrund kann ein Recht auf Leben, auf Bewegungsfreiheit, auf Selbstgestaltung und Wohnen, das nationale Grenzen zu suspendieren vermag, mit Lefebvre gefordert werden. Recht auf Stadt meint den Angriff des alltäglich Notwendigen auf die allgemeine Struktur.

Dieses Recht auf Stadt verwandelt sich, in eine Recht auf Straße, auf Zentralität, auf Differenz.

„Ganz anders die Stadt. Ihre Tätigkeit besteht sicherlich nicht nur im Verschlingen, im Konsum; sie wird produktiv (Produktionsmittel), in erster Linie jedoch dadurch, daß sie die zur Produktion erforderlichen Elemente zusammenführt. Sie vereinigt alle Märkte (…) Was erschafft sie? Nichts. Sie zentralisiert die Schöpfungen. Und dennoch, sie erschafft alles. Nichts existiert ohne Austausch, ohne Annäherung, ohne Nähe, ohne Beziehungsgefüge also.“[1]

Die Stadt wird so zum zentralen Ort, zu einer Mischmaschine, die erlaubt aus der Vielheit der eingebrachten Elemente neues entstehen zu lassen. Diese Stadt ist streng zeitlich gedacht, sie kann nicht gebaut werden, um zu bestehen, sie ist das spontane Ereignis – ein Fest? – das Verdichtung schafft. Lefebvre hält sich an Marx und führt die Unterscheidung zwischen zwei Städten ein, einer Stadt des Allgemeinen, wo er die Tauschwerte verortet und der Stadt des Gebrauchswerts – die Stadt der und in Verwendung.

[1]  (Lefebvre 1972) S. 127


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