Dritter Teil, der mit einer Zusammenfassung des bisher Geschehenen endet, um im letzten Teil dann bereit zu sein für den Sprung in die Praxis
Zum Zitierten: Ich habe die Texte direkt mit dem Netz verbunden, so dass Du das Buch schnell finden kannst, allerdings kann es so sein, dass die Seitenangaben vielleicht nicht mehr stimmen, da mir möglicherweise eine andere Ausgabe vorliegt!
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Vierter Unterpunkt zu eins: Stadt, Politik und Philosophie, sowie: die Probleme einer Lebenshaltung
Die Stadt bedeutet eine Krise der fixierten Grundsätze, das ist was ich mit dem Vorangegangenen versucht habe auszuformulieren.
Was passiert nun mit Themen wie dem der Gerechtigkeit im sogenannten urbanen Zeitalter?
These ist nun, dass Gerechtigkeit nicht im Diskutieren möglichst funktionaler Begriffe passieren kann sondern im Schaffen von Möglichkeiten zur Selbstinitiative.
Diese Initiativen dürfen nicht auf bestimmte Orte des Lebens beschränkt bleiben, das Nachdenken über Gerechtigkeit muss damit an erster Stelle das Sprengen von elitären Zirkeln des Besprechens und Räsonierens bedeuten.
In keinem Fall soll dies als ein neuer Aufruf zum Ende der Theorie verstanden werden. Im Gegenteil, es braucht mehr Theorie und ihr Anliegen muss es sein situationssensibel zu denken.
Im Leben soll sie helfen unklare Situationen nicht rein intuitiv passieren zu lassen, sondern Hilfsangebote zur Lebensorganisation geben.
Anders formuliert, das Ziel soll sein, eine Art von Denken auszuformulieren, das sich nicht nach seiner Vollendung dem Anwendungsproblem stellen muss, sondern das immer draußen ist in der Stadt, dort denkt und direkt wirksam wird.
Für Stadtbegriffe bedeutet dies nun, dass sie immer ein sprachlicher Teil eines größeren politischen Projekts sind. Mein Projekt ist die Suche nach Freiheit, der Wunsch ist Orte der Autonomie zu finden.
Cornelius Castoriadis
„Die Autonomie des Individuums besteht in der Herstellung einer anderen Beziehung zwischen der reflexiven Instanz und den anderen psychischen Instanzen, sowie zwischen der Gegenwart und der Geschichte des Individuums, aufgrund derer es zu dem geworden ist, was es ist.“ (Angaben folgen)
Ich möchte dies so übersetzten: Autonomie oder die Freiheit etwas Spezielles zu tun, wird im Umwerten und Entorganisieren der gegebenen Umstände möglich.
Demgemäß ist Autonomie eine gesetzwidrige Haltung, da sie die experimentelle Lebenshaltung fordert, die dem Festgelegten gefährlich werden kann.
Ein Stadtbegriff dessen Fluchtpunkt Befreiung ist, beschreibt Orte an denen die AkteurInnen nicht der direkten Gesetzgebung ausgesetzt sind, Orte die es einem erlauben, sich zu verstecken.
Stadt ist damit kein fixierter Ort in den es gilt sich einzufinden, sondern Raum im Sinne von Michel de Certeau. Räume sind Orte mit denen etwas gemacht wird. Der Ort wird erst in seinem Daseinsmodus als Raum lebendig.
Zitat Michel de Certeau:
„Ein Raum entsteht, wenn man Richtungsvektoren, Geschwindigkeitsgrößen und die Variabilität der Zeit in Verbindung bringt. Der Raum ist ein Geflecht von beweglichen Elementen (…) Insgesamt ist der Raum ein Ort, mit dem man etwas macht.“ („Kunst des Handelns“ S. 218)
Diese Art von räumlicher Erfindung passiert nach de Certeau in einem Handeln, das er mit Clausewitz die Taktik nennt.
Die TaktikerIn schmarotzt vom Besitz der StrategInnen, sie braucht keine eigene homebase sondern erschafft neue Wirklichkeiten in der Konsumption von fremdem Vorhandenen,
verwendet die Dinge verkehrt herum und lebt so neue Realitäten.
Die Stadt kann in diesem Sinne ein materieller Artikulationsraum jener werden, die es nicht schaffen sich innerhalb eines herrschenden Symbolismus zu bewegen.
Mit De Certeau kann für eine Veränderung der Wahrnehmung von Zonen gesprochen werden, wird ein Gebiet als Raum gesehen, ist das örtliche Material nicht Besitz sondern einfach nur anwesend und veränderbar,
der Raum sieht nur das im Moment Tatsächliche und nicht die Konstrukte, Rechte und Verbote, die sich hinter den Dingen verbergen.
In den Worten von Michel Foucault kann eben dies als kritische Lebenshaltung beschrieben werden.
Deren Kennzeichen es ist, sich beständig der eigenen Lebensverhältnisse bewusst zu werden, des Verhältnisses zu sich selbst, jenes zu den anderen und das zu den Dingen.
Anders formuliert, kann diese Lebenshaltung – wie oben angedeutet – auch als eine bestimmte Form von Blindheit verstanden werden. Als Blindheit dem gegenüber, das vorgibt das immer richtige Verständnis zu sein.
Um mit diesen Überlegungen zum Abschluss zu kommen sei noch Henri Lefèbvre angesprochen, der Urbanität als ein Ansteigen energetischer Spannungen beschreibt.
Zitat:
„Das Urbane ließe sich somit als Ort definieren, an dem Konflikte Ausdruck finden.“ („Die Revolution der Städte“ S. 186)
Haltestelle
Ich möchte die vorangegangen Gedanken zusammenfassen.
Kurzes Intermezzo, bevor wir in konkretere Überlegungen einsteigen.
Erstens, es wird notwendig die eigenen Lebensverhältnisse politisch aufzuladen.
Für Michel de Certeau wird Freiheit dann möglich, wenn wir lernen unsere Mietwohnungen selbstbestimmt zu adaptieren. Erst im sich Beziehen auf Welt wird demzufolge festgelegt was Welt im speziellen bedeutet.
Zweitens, das Experimentieren mit neuen Formen der Demokratie bedeutet im Konkreten allgemeine Grenzen zu überschreiten.
Städte sind die Orte der Schatten, der Verstecke geblieben. Dort kann die Revolte in all ihren Formen wachsen.
Die kontrollierbare Stadt ist eine Illusion und möchte der Staat dem Florieren der Städte nicht hinderlich sein, so muss er die Verstecke bejahen, da die Eingeengten ansonsten gewaltsam ihre Räume öffnen werden.
Zitat Mike Davis:
„In truth, cities as large as Baghdad, London or Los Angeles, with their vast seas of cars, trucks, and buses, and their thousands of vulnerable institutions and infrastructural nodes, will never enjoy universal security. Like drug dealers, car bombers will always find a place to do business.“ („Buda’s Wagon. A brief History of the car bomb.“ S. 193-194)
Drittens, der Erkenntnisversuch muss sein, die Richtung der wissenschaftlichen Erkenntnis umzukehren und Legitimation zur materiellen Veränderung bereitzustellen, die der abseits von Entscheidungsorten formulierten Kritik folgen muss.
Womit das Ziel einer Forschung, die nicht lediglich im Urbanen stattfinden möchte sondern urbane Forschung ist, die ihre Form bereits verändert hat, angesprochen sei.
Politische Aufgabe der urbanen Forschung ist es für Verstecke zu argumentieren. Es braucht die Freiheit zu der Praxis die weder öffentlich gemacht werden muss, noch sich rechtfertigen muss.
Es braucht die Freiheit zu einer Praxis die sichtbar ist, ohne Anträge zur Daseinsberechtigung stellen zu müssen. Es braucht Überlegungen, die frei machen sich selbst und sein Tun einfach da sein lassen zu können.
Dies ist wohl der wichtigste Beitrag zum friedlichen Zusammenleben. Auf der nächsten Stufe wird es wichtig Orte zu etablieren, die tatsächliches Einmischen erlauben,
da bloßes Gehört werden das wohl tyrannischste und betrügerischste Angebot im kapitalistisch-demokratischen Spiel ist.
Zur Frage nach der gerechten Stadt.
Gerechtigkeit kann im umrissenen Kontext damit nur heißen, dass die Erschaffung und Strukturierung immer anderer Lebensverhältnisse jedem möglich wird. Gerechtigkeit ist damit keine absolute Größe.
Finanzielle Grundsicherung bleibt damit die kurzfristig einzige Lösung zu einem gerechteren Zusammenleben. Folgen muss Weltbürgerschaft für alle.
Gerechtigkeit wird dann zu einer Größe, die im Zusammenleben, in der Stadt, im sich Konfrontieren mit den Gegebenheiten passiert, sie ist ein lebendiger Zustand.
Zitat Nancy Fraser:
„Aus dieser Perspektive ist Gerechtigkeit keine von außen her auferlegte Anforderung, die über die Köpfe derer hinweg bestimmt wird, die sie in die Pflicht nimmt. Vielmehr ist sie nur insofern verbindlich, als ihre Adressaten sich auch zu recht als ihre Urheber verstehen können.“ („Umverteilung oder Anerkennung?“ S. 65)
Die StädterInnen sind damit Irrende, die trotzdem Karten zeichnen, egal ob sie KünstlerInnen, DenkerInnen oder Taugenichtse sind, oder ob das alles drei das Gleiche ist.
Die Konzentration auf eine Sache, die Nichtachtung von Konventionen und als höchste Kunst, das sich frei Machen von Systemen der Anerkennungsproduktion, sind die Aufgaben dieser Suchenden.
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